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Mittwoch, 11. Juli 2012

[Off-Topic] Was haben ÖVP und Vatikan gemeinsam?

Oder: Wie man das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich möchte und alles nur noch schlimmer macht.

Zugegeben, ich stehe weder dem Vatikan noch der ÖVP besonders nahe, aber irgendwie tun sie mir schon fast leid...
Was ist geschehen? 1. Das Satiremagazin Titanic hat mit einem Heftcover den Papst beleidigt. 2. Die ÖVP hat eine interne Strategie-Fibel gegen das Schreckgespenst Rot-Grün verfasst. So weit, so schlecht. Aber der Reihe nach:

Titanic ist nicht bekannt für die feine humoristische Klinge. Das neueste Cover kann sehr wohl als "geschmacklos" bezeichnet werden, zeigt es doch den "Heiligen Vater" mit einem gelben Fleck auf der Soutane und dem Titel "Halleluja im Vatikan - Die undichte Stelle ist gefunden!"
Das neue Cover?

"Titanic verboten!
Der Papst im Freudenrausch!"

Auch wenn das nicht gerade der feinen englischen Art enspricht, hätte der Papst gut daran getan, Satire Satire sein zu lassen und sich nicht einzumischen. Nachdem er sich aber dazu entschieden hatte, gegen das Magazin gerichtlich vorzugehen und mit einem Ordnungsgeld von € 250.000 (!) zu drohen, hat Titanic das entprechende Cover geschwärzt und die Geschichte an die Presse weitergespielt, was dazu geführt hat, dass alle Zeitungen darüber berichten und das (ungeschwärzte) Bild auf hunderten Blogs im Internet zu finden ist. Per nachfolgender Pressemitteilung meinte Titanic daraufhin: "Der Titel zeige einen Papst, der nach der Aufklärung der Spitzelaffäre ("Vatileaks") feiert und im Überschwang ein Glas Limonade über seine Soutane verschüttet hat". Der Chefredakteur ergänzt: "Wir werden sämtliche Rechtsmittel ausschöpfen und notfalls bis zum Jüngsten Gericht ziehen."

Einen ähnlichen Bock hat die ÖVP mit ihrer Anti-Rot-Grün Fibel geschossen: Dummerweise bekam die Kronen-Zeitung die nur für interne Wahlkampfzwecke gedachte Fibel in die Finger (und hat daraus gleich die Hautpschlagzeile gemacht). Der Inhalt ist schnell erklärt: Auf 61 Seiten finden sich spektakuläre Sätze wie "Rot-Grün heißt Guantanamo-Häftlinge in Österreich", "Rot-Grün heißt Chaos und Anarchie" oder "Rot-Grün heißt Abschaffung der Ehe".
Die Verfasser dieser unsinnigen Aussagen haben aber leider das Gegenteil von dem errecht, was sie wollten: Die Twitter-Community hat bei dem lustigen Spiel mitgemacht und unter dem Hashtag #fibel viele weitere wunderbare Sätze kreiert, wie etwa "Rot-Grün heißt: Fahrradspur auf Autobahnen", "Rot-Grün heißt verpflichtende Dreadlocks für alle im Staatsdienst", "Rot-Grün heißt Servus GenossIn anstatt Grüß Gott", "Rot-Grün: Martin Balluch ist Umweltminister und der Mafia-Paragrah wird gegen Jagdgenossenschaften angewendet" oder "Rot-grün heißt Staatsbürgerschaftstest auf Türkisch" :)
Der ÖAAB versuchte die Situation mit einer Presseaussendung zu retten, allerdings bezweifle ich sehr, dass das mit Sätzen wie "ist es unsere Pflicht, die Bevölkerung auf die Gefahren einer rot-grünen Koalition hinzuweisen" oder "Unsere Risikoanalyse (?) ist ja nicht aus der Luft gegriffen, sondern beruht auf konkreten Erfahrungen und Inhalten" gelingen wird.

© raketa.at
Die Angstpropaganda der ÖVP ist also nach hinten losgegangen, bevor sie überhaupt begonnen hat. Und der Papst ist jetzt wegen einem Satire-Cover weltweit in den Medien, obwohl er genau das verhindern wollte. Was lernen wir daraus? Wenn schon etwas schiefgelaufen ist, sollte man nicht noch Öl ins Feuer gießen, sonst wird's wirklich schlimm.

Donnerstag, 5. Juli 2012

ACTA ist Geschichte... oder doch nicht?!

Die europaweiten Demonstrationen gegen ACTA haben ihre politische Wirkung entfaltet:
Zuerst wurde das unsägliche Anti-Piraterie-Abkommen von fünf Ausschüssen des EU-Parlaments abgelehnt (sogar in den eigentlich eher konservativen, wie dem Handels- und dem Rechtsausschuss). Und gestern hat das EU-Parlament selbst eindeutig gegen ACTA votiert: 478 der MEPs stimmten dagegen, 39 dafür und 165 enthielten sich der Stimme.

Dieser Erfolg geht auf das Konto von uns allen :-) Wären wir nicht im Februar gegen ACTA auf die Straße gegangen, wer weiß, wie die Abstimmung ausgegangen wäre. Darum ein herzliches Danke an alle, die an den Demos teilgenommen oder sich aktiv beteiligt haben und auch an die Abgeordneten - ganz besonders Eva Lichtenberger -, die dagegen gestimmt haben!

 Die Grünen Angeordneten im Europaparlament:
"Hello Democracy - Goodbye ACTA" 
Nach der Ablehnung des EU Parlaments ist ACTA formell gestorben, weil es von diesem ratifiziert werden muss (trotzdem kommt noch eine Prüfung des Abkommens vom Europäischen Gerichtshof). Es kann jetzt nur "durch die Hintertür" - das heißt, mit jedem Staat der EU einzeln von den anderen Vertragspartnern ausgehandelt werden. Allerdings glaube ich, dass auch dieser Versuch scheitern wird, weil die Stimmung zu ACTA in der Bevölkerung und auch in der Politik inzwischen ziemlich negativ ist.

Seltsamerweise scheinen das aber einige - vor allem konservative - Mitglider der Komission und des Parlaments nicht mitbekommen zu haben und halten weiterhin an ACTA fest:
Elisabeth Köstinger von der ÖVP meint, dass die "Ablehnung des ACTA-Abkommens [...] die EU im internationalen Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie" um Jahre zurückwirft, anstatt zuzugeben, dass dadurch eigentliche Produktfälschung gar nicht geahndet werden kann, weil Staaten wie China nicht an dem Abkommen teilnehmen.
Marielle Gallo von der "Neuen Linken" (die in der Fraktion der EVP/PPE sitzt) glaubt, dass Anonymous das Polnische Parlament infiltriert hat und Handelskommissar De Gucht droht damit, ACTA dem Parlament nach der Prüfung durch den EuGH nochmal vorzulegen, obwohl Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen dezediert davor warnen: "ACTA ist ein direkter Angriff auf das Leben von Patienten in ärmeren Ländern".

Gestern war ein guter Tag für die Demokratie und die Bürgerrechte in Europa. Hoffen wir jetzt, dass die Versuche, ACTA doch noch direkt oder indirekt (etwa durch IPRED oder INDECT) einzuführen, genauso wenig Erfolg haben werden.

Donnerstag, 14. Juni 2012

Grüner Parlamentsklub widmet Klausur der Netzpolitik

Die Bundesgrünen haben die Klausur des Parlamentsklubs vergangenen Montag der Netzpolitik gewidmet. Dabei wurde u.a. Marco Schreuder als neuer Sprecher für Netzpolitik vorgestellt - was mich persönlich sehr freut, weil wir damit einen der fähigsten Experten für dieses Thema als offizielles Sprachrohr haben. Inhaltlich wünschen sich Schreuder und Albert Steinhauser (Justizsprecher) ein "Informationsfreiheitsgesetz", eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität und mehr digitales Bürgerservice, etwa durch mehr OpenData-Projekte.

Weitere Informationen gibt es unten im Video und auf futurezone.

Mittwoch, 9. Mai 2012

Das Kunstwerk im Zeitalter seiner virtuellen Reproduzierbarkeit

Es ist fast schon lächerlich: Die Verwertungsgesellschaften steigern Quartal um Quartal ihre Gewinne und wollen trotzdem doppelt und dreifach abkassieren. Jetzt soll also eine "Festplattenabgabe" kommen, weil die alte "Leerkassettenvergütung" immer weniger einbringt. Argumentiert wird das von Kunstministerin Schmied so: "Kunstschaffende müssen mit ihren Leistungen Einkommen erzielen". Das klingt gut und richtig, spannender ist allerdings was sie nicht sagt: Dass vor allem die großen Musik- und Filmunternehmen an den Urheberrechtsabgaben verdienen und zwar über die Verwertungsrechte an den eigentlichen Kulturgütern. Um dafür zu sorgen, dass wirklich die Kunstschaffenden gut von ihrem Beruf leben können müßte also das Urheberrecht gestärkt und das Verwertungsrecht zu Gunsten der Künstler überarbeitet werden, etwa mit einem Urhebervertragsrecht (welches es bis heute in Österreich nicht gibt). Steuern auf Hardware sind aber eindeutig der falsche Weg.

Die Fronten sind verhärtet. Ein Teil der Internet-Community will Kultur konsumieren, ohne auch nur einen Cent dafür zu bezahlen, die anderen zahlen brav bei iTunes oder Amazon. Die Verwertungsgesellschaften sind sauer auf die, die nichts zahlen wollen und bitten deshalb die, die schon bezahlt haben nochmal zur Kasse. Und die Künstler haben großteils keine Ahnung oder Meinung, klammern sich an ihre (oft mickrigen) Verträge und halten sich meistens mit Brotberufen über Wasser, bis auf diejenigen, die so bekannt sind, dass sie genug Aufträge haben und außerdem auch noch einen größeren Anteil vom Verwertungskuchen bekommen. Letztere lassen sich dann auch gerne von den Konzernen vor den Karren spannen und schimpfen auf die bösen Konsumenten. Und als Reaktion auf die geforderte Gebühr hat AnonAustria die Website der Austromechana mit DDoS-Attacken lahmgelegt.

Das Problem des Kopierens - der Reproduzierbarkeit - eines Kunstwerks ist spätestens seit Walter Benjamin ein offenkundiges. Verlor das Kunstwerk vor 80 Jahren aus philosophischer Sicht seine "Aura", so verliert es heute aus ökonomischer Sicht seine Anlagesicherheit für Verwertungsgesellschaften.
Aber seien wir ehrlich: Das Problem besteht schon lange. Das technologische Environment hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zwar gewaltig verändert, aber das passierte nicht von heute auf morgen (Napster gab es schon Ende der 90er). Und eigentlich sind es auch nicht die Kulturschaffenden, die sich am lautesten beklagen, sondern die Konzerne, die für Urheberrechtsabgaben, Vorratsdatenspeicherung, ACTA und SOPA  lobbyieren.
Warum? Viele junge Künstler sind gerade über das Internet erst erfolgreich geworden, einige "alte" haben sich schon vor Jahren auf Creative Commons oder zumindest gratis-Downloads der CDs oder Filme umgestellt und fahren um nichts schlechter als davor, bspw. Nine Inch Nails (Trent Reznor ist bekannt für seine Ausfälle gegen die Plattenfirmen) oder Radiohead. Die Kulturschaffenden vermarkten sich einfach selbst und die Plattenfirmen haben nur noch ihre Marketing-Marionetten aus der Pop-Retorte. Gerade deshalb verstehe ich auch Künstler wie Sven Regener nicht, der sich in einem Interview über Youtube aufregt.

Auf der anderen Seite werden natürlich auch Förderprogramme durch Einrichtungen vergeben, die sich massiv für eine Festplattenabgabe einsetzen, wie etwa die FAMA (Film and Music Austria), und das ist gerade für junge Kulturschaffende (überlebens-)wichtig. Diese Unterstützungen könnten aber auch über andere Töpfe verteilt werden. Eine pauschale Festplattenabgabe ist außerdem kein "Allheilmittel zur Verbesserung der sozialen Lage" der Künstler, wie der grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl feststellt. Einrichtungen wie der FAMA, der Austromechana und der AKM muss endlich klar werden, dass die Konsumenten nicht grundsätzlich Kriminelle sind und dass Urheberrechtsabgaben eigentlich den Urhebern und nicht den Rechteinhabern zustehen.
In Wahrheit ist die Festplattenabgabe eine Cashcow für die Verwertungsindustrie: Es könnten zwischen 50 und 100 Millionen pro Jahr über die Gebühr eingenommen werden, wie hier nachgerechnet wird. Und im Übrigen gab es bereits 2010 ein Urteil vom EuGH, welches feststellte, dass pauschale Urheberrechtsabgaben auf Datenträger nicht zulässig sind. Bevor dann also wieder bis zum EuGH gegen die Festplattenabgabe prozessiert wird, sollten wir uns das Gesetz gleich sparen und stattdessen endlich das Urheberrecht für die stärken, die es wirklich brauchen: Die Künstler.

Mittwoch, 18. April 2012

Stimmenfänger in trüben Gewässern

Eines kurz vorweg: Die Innsbrucker Gemeinderatswahl sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir Grünen haben einerseits trotz neun Listen und einer massiven Medien- und Materialschlacht seitens Für Innsbruck und ÖVP unsere acht Mandate verteidigen und uns von 18,5% auf 19,1% auch leicht verbessern können und - ganz wichtig - sogar einen zweiten Stadtsenatssitz ergattert - und das bei einem sehr befremdlichen Wahlausgang, mit dem so wohl niemand gerechnet hätte. Andererseits sind wir nicht stärkste Kraft geworden und haben nicht das neunte - mein Kampfmandat - erreicht. Und die geringe Wahlbeteiligung ist auch nicht gerade ein Grund zur Freude.

Vieles war nach der Wahl anders als erwartet: FI liegen nicht mehr vor der ÖVP, die wiederum haben sich trotz Korruptionsskandalen verbessert, die SPÖ hat es ziemlich zerbröselt (was inzwischen schon zu Konsequenzen geführt hat) und die Piraten sind erstmals in einem Gemeinderat in Österreich vertreten.
Peter Pilz möchte deshalb bei der Nationalratswahl einen Piraten-Kandidaten auf einen wählbaren Platz auf der Grünen Liste aufstellen. Aber unabhänig davon, dass sich die Grünen schon länger, intensiver und kompetenter mit Netzpolitik beschäftigen - genannt seien hier Eva Lichtenberger, Marco Schreuder, Albert Steinhauser und die vor kurzem gestartete Sammelverfassungsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung - gibt es da auch ein anderes Problem:
Die Piraten fischen ihre Stimmen in trüben Gewässern. Ich war selbst Wahlbeisitzer und habe beim Öffnen der Kuverts nicht schlecht gestaunt, dass die Piraten-Wähler die Bürgermeister-Stimme entweder Rudi Federspiel oder Penz von der FPÖ gegeben haben (oder gar niemandem). Und das war nicht nur in meinem Sprengel so, wie ich von anderen Wahlbeisitzern erfahren habe. Das bedeutet, dass die Piraten als Protestpartei vor allem den Rechten Stimmen gekostet haben und wohl auch zukünftig unzufriedene Gesellschaftsverlierer anziehen werden.

Der grüne Bundesrat Marco Schreuder meint zu Pilz' Idee in der Presse:
"Ich halte sie für nicht unbedingt verfolgenswert." Viele Positionen der Piraten seien zu unklar, manche – Stichwort: Beteiligung von Frauen – sogar grundverschieden. Gerade in Innsbruck habe es auch "rechte Umtriebe" bei den Piraten gegeben – "da wollen wir nicht anstreifen".

Und was die personelle Aufstellung der Piraten in Innsbruck betrifft, analysiert Peter Plaikner in einem Kommentar ziemlich genau:
"Die sogar von der Bundespartei losgelöste Splittergruppe wäre als thematische Surferpartie besser beschrieben. Zwischen ihrem Alexander Ofer und wahren Piraten-Exponenten wie dem Berliner Christopher Lauer liegen nicht nur im intellektuellen Anspruch Welten: Sie verkörpern den Unterschied zwischen Stammtisch-Beliebigkeit und demokratischer Sinnsuche."

Besonders lustig ist finde ich ja, dass die Piratenpartei Tirol (PPT) sich mit der Piratenpartei Österreich (PPÖ) überworfen hat. Der "Volksfront von Judäa-Effekt" (alle, die das nicht verstehen bitte Das Leben des Brian anschauen) ist bei jungen politischen Bewegungen nichts neues. Trotzdem: Kurz vor der Gemeinderatswahl hat es fast so ausgesehen, als ob die PPÖ und die PPT wieder versöhnen wollen: Alle kritischen Artikel gegen die PPT - unter anderem die Pressemeldung vom Ausschluss aus der Bundespartei - sind von der Website der PPÖ verschwunden und die PPÖ gratuliert der PPT jetzt sogar zum Wahlerfolg in Innsbruck. Diese Anbiederung kann nur als Furcht vor den Tirolern und einer feindlichen Übernahme der Marke aus dem Westen interpretiert werden, da die PPT auch bei der Landtagswahl 2013 antreten will. In klassischer Piratenmanier bleibt Ofer aber angriffig und erklärt im Interview:
"Wir wollen mit der PPÖ nichts zu tun haben, das sind Pfuscher. Das sind ein paar Wahnsinnige und meinen sie können Österreichweit die Piratengeschicke lenken. [...] Wir distanzieren uns von der PPÖ. Ich weiß nicht, warum wir uns mit denen abgeben sollten."

Es bleibt also spannend aber unfreundlich auf dem Piratenschiff. Wir werden sehen, wie die Sache weitergeht. Und wer sich bis dahin für echte Netzpolitik interessiert, ist herzlich eingeladen, sich bei den Grünen und auch auf diesem Blog darüber zu informieren. In diesem Sinne: Ahoi!