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Mittwoch, 9. Mai 2012

Das Kunstwerk im Zeitalter seiner virtuellen Reproduzierbarkeit

Es ist fast schon lächerlich: Die Verwertungsgesellschaften steigern Quartal um Quartal ihre Gewinne und wollen trotzdem doppelt und dreifach abkassieren. Jetzt soll also eine "Festplattenabgabe" kommen, weil die alte "Leerkassettenvergütung" immer weniger einbringt. Argumentiert wird das von Kunstministerin Schmied so: "Kunstschaffende müssen mit ihren Leistungen Einkommen erzielen". Das klingt gut und richtig, spannender ist allerdings was sie nicht sagt: Dass vor allem die großen Musik- und Filmunternehmen an den Urheberrechtsabgaben verdienen und zwar über die Verwertungsrechte an den eigentlichen Kulturgütern. Um dafür zu sorgen, dass wirklich die Kunstschaffenden gut von ihrem Beruf leben können müßte also das Urheberrecht gestärkt und das Verwertungsrecht zu Gunsten der Künstler überarbeitet werden, etwa mit einem Urhebervertragsrecht (welches es bis heute in Österreich nicht gibt). Steuern auf Hardware sind aber eindeutig der falsche Weg.

Die Fronten sind verhärtet. Ein Teil der Internet-Community will Kultur konsumieren, ohne auch nur einen Cent dafür zu bezahlen, die anderen zahlen brav bei iTunes oder Amazon. Die Verwertungsgesellschaften sind sauer auf die, die nichts zahlen wollen und bitten deshalb die, die schon bezahlt haben nochmal zur Kasse. Und die Künstler haben großteils keine Ahnung oder Meinung, klammern sich an ihre (oft mickrigen) Verträge und halten sich meistens mit Brotberufen über Wasser, bis auf diejenigen, die so bekannt sind, dass sie genug Aufträge haben und außerdem auch noch einen größeren Anteil vom Verwertungskuchen bekommen. Letztere lassen sich dann auch gerne von den Konzernen vor den Karren spannen und schimpfen auf die bösen Konsumenten. Und als Reaktion auf die geforderte Gebühr hat AnonAustria die Website der Austromechana mit DDoS-Attacken lahmgelegt.

Das Problem des Kopierens - der Reproduzierbarkeit - eines Kunstwerks ist spätestens seit Walter Benjamin ein offenkundiges. Verlor das Kunstwerk vor 80 Jahren aus philosophischer Sicht seine "Aura", so verliert es heute aus ökonomischer Sicht seine Anlagesicherheit für Verwertungsgesellschaften.
Aber seien wir ehrlich: Das Problem besteht schon lange. Das technologische Environment hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zwar gewaltig verändert, aber das passierte nicht von heute auf morgen (Napster gab es schon Ende der 90er). Und eigentlich sind es auch nicht die Kulturschaffenden, die sich am lautesten beklagen, sondern die Konzerne, die für Urheberrechtsabgaben, Vorratsdatenspeicherung, ACTA und SOPA  lobbyieren.
Warum? Viele junge Künstler sind gerade über das Internet erst erfolgreich geworden, einige "alte" haben sich schon vor Jahren auf Creative Commons oder zumindest gratis-Downloads der CDs oder Filme umgestellt und fahren um nichts schlechter als davor, bspw. Nine Inch Nails (Trent Reznor ist bekannt für seine Ausfälle gegen die Plattenfirmen) oder Radiohead. Die Kulturschaffenden vermarkten sich einfach selbst und die Plattenfirmen haben nur noch ihre Marketing-Marionetten aus der Pop-Retorte. Gerade deshalb verstehe ich auch Künstler wie Sven Regener nicht, der sich in einem Interview über Youtube aufregt.

Auf der anderen Seite werden natürlich auch Förderprogramme durch Einrichtungen vergeben, die sich massiv für eine Festplattenabgabe einsetzen, wie etwa die FAMA (Film and Music Austria), und das ist gerade für junge Kulturschaffende (überlebens-)wichtig. Diese Unterstützungen könnten aber auch über andere Töpfe verteilt werden. Eine pauschale Festplattenabgabe ist außerdem kein "Allheilmittel zur Verbesserung der sozialen Lage" der Künstler, wie der grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl feststellt. Einrichtungen wie der FAMA, der Austromechana und der AKM muss endlich klar werden, dass die Konsumenten nicht grundsätzlich Kriminelle sind und dass Urheberrechtsabgaben eigentlich den Urhebern und nicht den Rechteinhabern zustehen.
In Wahrheit ist die Festplattenabgabe eine Cashcow für die Verwertungsindustrie: Es könnten zwischen 50 und 100 Millionen pro Jahr über die Gebühr eingenommen werden, wie hier nachgerechnet wird. Und im Übrigen gab es bereits 2010 ein Urteil vom EuGH, welches feststellte, dass pauschale Urheberrechtsabgaben auf Datenträger nicht zulässig sind. Bevor dann also wieder bis zum EuGH gegen die Festplattenabgabe prozessiert wird, sollten wir uns das Gesetz gleich sparen und stattdessen endlich das Urheberrecht für die stärken, die es wirklich brauchen: Die Künstler.